Fordern und Fördern

Das oberste Gebot bei allem ist GEDULD – gerade jetzt.

Nur weil ein Pferd blind ist, sollte es nicht aufs Abstellgleis gestellt werden. Gerade blinde Pferde benötigen Unterstützung in ihrer neuen Situation. Das betrifft einerseits den Alltag sowie den Umgang oder die Arbeit. Wir geben nützliche Tipps für den Alltag unter dem Punkt Tipps & Tricks.

Prinzipiell sind dem Training mit einem blinden Pferd keine Grenzen gesetzt. Trotzdem muss man den Faktor Sehkraft natürlich mit einberechnen. Es zeigt sich jedoch oft, dass Pferde, die ihre Menschen gut kennen trotzdem auf Körpersprache und Energien reagieren, als könnten sie ihren Menschen sehen.

Um ein blindes Pferd sinnvoll zu fordern und fördern sollte bewusst sein, welches Lernsystem Pferde haben. Ein Pferd ist sehr instinktgesteuert und es lernt organisch. Reflexbewegungen und zufällige Bewegungen werden durch Wiederholungen differenziert und zu willentlichen Handlungen. Wenn das Pferd die Möglichkeit des bei-sich-seins hat, kann es Bewegungen durchführen, spüren und verarbeiten. Wir als Begleiter müssen verstehen, dass Lernen ein sich selbstorganisierter Prozess aus physiologischer Notwendigkeit ist. Dieser Lernprozess geht langsam einher; das Pferd bestimmt das Tempo. Rückschritte gibt es immer wieder, denn Lernkurven sind selten linear. Also habt Geduld.

Gerade bei den meisten sehbehinderten Pferden ist es wichtig, Klarheit über Führung zu schaffen. Darüber hinaus gilt es, die veränderte Wahrnehmung des Pferdes zu berücksichtigen. Bunte Schilder oder Plastiktüten sind vielleicht kein Problem mehr, aber das Knacken eines Astes sorgt für Angst. Es lohnt sich, viel mehr auf die Körpersprache des Pferdes zu achten. Sie verrät uns sehr viel über die Wahrnehmung und Gefühlslage unseres Vierbeiners. Zu beachten sind:

  • Ohren: in welche Richtung hört das Pferd? Sind sie angespannt, angelegt, seitlich entspannt?
  • Schweif: pendelt er locker in der Bewegung mit oder ist hoch aufgestellt?
  • Atmung: ist sie gleichmäßig, flach oder tief, angehalten oder schnell?
  • Stand: offene Stellung? immer denselben Fuß entlastend? Ruhiges Stehen oder permanentes Bewegen?
  • Körperspannung, Zuckungen auf der Haut oder ums Maul oder die Augen
  • Kopfhaltung: gerade oder schief, hoch oder tief
  • Zucken
  • Maul: entspannt oder viel kauend oder gähnend
  • Nüstern: entspannt oder aufgerissen?

Manche Pferd-Mensch-Paare können sehr gut über Bilder und Gedanken kommunizieren.

Das Training kann nach folgenden Arbeitsprinzipien aufgebaut werden:

  • Freundliche aber bestimmte Impulse geben
  • Nicht festhalten
  • Pferd findet eigene Bewegung und Balance
  • Langsames Tempo
  • Die Beziehung zum Pferd und das Lernen des Pferdes ist ein Prozess

Jedes Pferd ist individuell, sowie auch der dazugehörige Mensch. Danach definiert sich die notwendige Zeit und die Übungen die funktionieren. Deswegen immer verschiedene Dinge ausprobieren und den Lernprozess genau beobachten.

Trainingsmöglichkeiten vom Boden sind:

  • Freiarbeit
  • einfache und Doppellonge, (langsam, wegen anfänglichen Schwindel)
  • Wellnessstunde
  • Pferd beobachten

Gerade Geschicklichkeitsübungen fördern das Selbstvertrauen des Pferdes. Viele Spaziergänge auf unterschiedlichen Böden geben die Möglichkeit, das Vertrauen zum Menschen und natürlich in sich selbst zu stärken. Damit kann Mensch „beweisen“, dass er/sie vertrauenswürdig ist, indem er mit verschiedenen Kommandos sein Pferd auf besondere Gegebenheiten hinweist. Später zeigen unsere Pferde, dass sie öfter gegangene Wege sehr wohl kennen und von alleine Unebenheiten berücksichtigen.

Trainingsmöglichkeiten vom Sattel aus:

  • Gymnastizierung
  • Halle oder Platz
  • Im Gelände, später auch Wanderritte